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Dr. Arnold Glaab  


Optimale Entzerrungszeitkonstanten für Spulentonbandgeräte
 

Bei Tonträgern geht man aus verschiedenen Gründen von der Forderung nach Linearität ab und entzerrt die Signale so, wie es das speichernde oder übertragende Medium - aus unterschiedlichen Gründen - erfordert. So wird der Frequenzgang für Schallplatten, Tonband und für die Rundfunkübertragung nach festen Normen verändert. Diese Veränderungen (ausgedrückt durch Zeitkonstanten) sind aufgrund der Amplitudenstatistik festgelegt; sie können aber dort, wo die Statistik nicht mehr die wirklichen Verhältnisse wiedergibt, Probleme aufwerfen. Der folgende Aufsatz beleuchtet die Aspekte, die sich durch die Anhebung der hohen Frequenzen bei Tonbandaufzeichnungen ergeben.
 



Das Problem

Wesentliche Qualitätsmerkmale eines Spulentonbandgerätes sind unter anderen der Geräuschspannungsabstand und die Dynamik bei hohen Frequenzen (Höhenaussteuerbarkeit). Während der Geräuschspannungsabstand eines Tonbandgerätes ein Maß für die Rauschfreiheit einer Tonbandaufnahme ist, stellt die Höhenaussteuerbarkeit ein Maß für den Pegel dar, der bei hohen Frequenzen aufgezeichnet werden kann. Ist die Höhenaussteuerbarkeit z. B. deutlich geringer, als es die hohen Frequenzanteile der aufzuzeichnenden Musik und Sprache erfordern, dann klingt die Aufzeichnung in den Höhen undurchsichtiger als das Original. In besonders ungünstigen Fällen können sehr störende Geräusche auftreten (z. B. "Spratzen" bei weiblicher Sprache).
Da beide Größen über den Vormagnetisierungs-Arbeitspunkt und die Höhenentzerrungszeitkonstanten eng zusammenhängen, soll im folgenden versucht werden, die Entzerrungszeitkonstante für einen möglichst großen Geräuschspannungsabstand und für eine vorgegebene Höhenaussteuerbarkeit zu ermitteln. Die Optimierung wird für die Bandgeschwindigkeiten v = 9,5 cm/s und v = 19 cm/s durchgeführt.


Die Definition der Höhenaussteuerbarkeit

Während der Ruhegeräuschspannungsabstand eines Tonbandgerätes seit langem über den Vollaussteuerungspegel (gemessen bei f = 333 Hz und einem kubischen Klirrfaktor k3 = 3 %) und den Pegel der Ruhegeräuschspannung eindeutig definiert ist, scheidet für die Definition der Höhenaussteuerbarkeit die Verwendung des Klirrfaktors aus, weil die Klirrspektren außerhalb des Ubertragungsbereiches liegen und damit die übliche Klirrfaktormessung viel zu niedrige Klirrfaktoren vortäuscht.
Wegen dieser Schwierigkeit gibt es für die Höhenaussteuerbarkeit mehrere, zum Teil sehr unterschiedliche Meßmethoden, die hier kurz erläutert werden sollen.


Festlegung über die Abweichung von der linearen Aussteuerungskennlinie

Der Wiedergabepegel eines Tonbandgerätes hat in Abhängigkeit vom Aufnahmepegel (z. B. gemessen an der Aufnahme-Buchse) den in Bild 1 gezeigten Verlauf.

 
Wiedergabepegel als Funktion des AufsprechpegelsDie Kurve zeigt das bekannte Sättigungsverhalten des Magnetbandspeichers. Man hat nun auf rein empirischem Wege bei tiefen Frequenzen gefunden, daß eine Abweichung um 1,0 dB vom linearen Verlauf einem Klirrfaktor von k3 = 3 % entspricht. Analog hierzu legt man fest, daß die Höhenaussteuerbarkeit durch den Punkt bestimmt wird, in dem die Aussteuerungskurve um 1,0 dB vom linearen Fall abweicht.
Meßtechnisch erfordert diese Definition die sorgfältige Aufnahme der Aussteuerungskurve über einen ausreichenden Pegelbereich. Besonders bei kleinen Bandgeschwindigkeiten ist die Messung nicht unproblematisch, weil der Wiedergabepegel erheblich schwanken kann.


Definition der Höhenaussteuerbarkeit über den maximalen Pegel

Da die Methode über die Aussteuerungskennlinie meßtechnisch nicht unproblematisch ist, benutzt man als eine weitere, meßtechnisch sehr einfache Definition der Höhenaussteuerbarkeit das Maximum der Aussteuerungskurve aus Bild 1. Diese Methode führt insbesondere bei Geräten mit kombiniertem AW-Kopf schnell zum Ziel: Bei der Aufnahme wird der Pegel des 10-kHz-Signals um ca. 10 dB variiert; bei der Wiedergabe wird der maximale Pegel notiert. Für die Messung genügen ein einfacher Tongenerator und ein Nf-Voltmeter.


Definition der Höhenaussteuerbarkeit über die Differenztondämprung

Wie bereits weiter oben gesagt wurde, ist die direkte Messung des Klirrfaktors k3 nach den üblichen Methoden bei hohen Frequenzen nicht sinnvoll. Dagegen ist aber eine Messung der Differenztonverzerrungen nach der Zweiton-Methode möglich, die als eine allgemeine Darstellung der Klirrverzerrungen aufgefaßt werden kann.
Geht man von einem Klirrfaktor k3 = 3 % bei tiefen Frequenzen entsprechend einer Klirrdämpfung von 30,5 dB aus, dann beträgt die hierzu gehörende Differenztondämpfung - wie bewiesen werden kann - 20,5 dB. Der einfachen Messung wegen rundet man diesen Wert auf 20 dB ab.
Meßtechnisch erfordert die Differenztonmessung einigen Aufwand, weil zur Bestimmung der Differenztöne ein selektives Voltmeter notwendig ist.
Die Meßwerte, die man nach diesen drei Methoden erhält, unterscheiden sich bei 10 kHz je nach Bandgeschwindigkeit nur um 1 bis 2 dB. Wegen der einfachen Messung wird deshalb in DIN 45 500, Bl. 4, die zweite Methode (über den maximalen Pegel) für die Definition der Höhenaussteuerbarkeit benutzt. Die Norm fordert eine maximale Abnahme der Aussteuerbarkeit von

A10/333 =15 dB

bei 10 kHz, bezogen auf den Vollaussteuerungspegel bei 333 Hz. D. h., stünde bei 333 Hz ein Aussteuerbereich von 56 dB zur Verfügung, so müßten für ein 10-kHz-Signal mindestens 41 dB vorhanden sein.


Anforderungen an die Höhenaussteuerbarkeit

Die maximale Verringerung der Aussteuerbarkeit um 15 dB bei 10 kHz, bezogen auf den Vollaussteuerungspegel bei 333 Hz, ergibt bereits für eine Reihe von Anwendungsfällen eine befriedigende Hi-Fi-Qualität, vorausgesetzt, daß auch die übrigen Parameter ein entsprechendes Niveau erreichen. Die erforderliche Höhenaussteuerbarkeit hängt zunächst einmal vom Amplitudenspektrum der aufzuzeichnenden Musik und Sprache ab. Hierzu sind in [1] sehr ausführliche statistische Untersuchungen über das Amplitudenspektrum des Programms NDR 2 durchgeführt worden, die eine Verringerung der Höhenaussteuerbarkeit um maximal 15 dB als gerade brauchbar erscheinen lassen.
Auf der anderen Seite sind z. B. in [2] Forderungen für die Höhenaussteuerbarkeit aufgestellt worden, die weit über die Mindestanforderungen nach DIN 45 500, Bl. 4, hinausgehen. Wegen der Vielschichtigkeit dieses Problems soll deshalb die Optimierung nicht nur für einen, sondern für mehrere Werte der Höhenaussteuerbarkeit durchgeführt werden.


Zusammenhang zwischen Geräuschspannungsabständ, Höhenaussteuerbarkeit und Entzerrungszeitkonstante


Die Methode

Gesucht ist die Größe des Geräuschspannungsabstandes als Funktion der Entzerrungszeitkonstante, und zwar für eine vorgegebene, auf den Vollaussteuerungspegel bezogene Höhenaussteuerbarkeit bei 10 kHz. Als Ausgangsdaten sollen hierfür die Meßwerte der Bandhersteller benutzt werden, die allerdings in einer für die Lösung dieser Aufgabe noch nicht vollständigen Darstellung vorliegen (Bild 2 und 3). Die Daten sind mit einem normgerecht entzerrten Gerät ermittelt, und zwar beträgt die Entzerrungszeitkonstante τ = 90 µs bei v = 9,5 cm/s und τ = 50 µs bei v = 19 cm/s.
Bild 1. Wiedergabepegel als Funktion des Aufsprechpegels
Wiedergabepegel und Geräuschspannung als Funktion des Vormagnetisierungsstromes bei 9,5 cm/s Wiedergabepegel und Geräuschspannung als Funktion des Vormagnetisierungsstromes bei 19 cm/s
Bild 2. Wiedergabepegel und Geräuschspannung als Funktion des Vormagnetisierungsstromes iv bei 9,5 cm/s Bild 3. Wiedergabepegel und Geräuschspannung als Funktion des Vormagnetisierungsstromes iv bei 19 cm/s
Die einzelnen Größen haben folgende Bedeutung:

A333 = Vollaussteuerungspegel bei 333 Hz, gemessen bei einem Klirrfaktor k3 = 3 % und bezogen auf den Bandfluß-Bezugspegel 250 nWb/m (v = 9,5 cm/s) bzw. 320 nWb/m (v = 19 cm/s).
A10 = maximaler Pegel bei 10 kHz, gemessen nach der Methode über den maximalen Pegel und bezogen auf den jeweiligen Bezugspegel.
DRG = Ruhegeräuschspannungspegel, bezogen auf den jeweiligen Bezugspegel. Die Messung der Geräuschspannung erfolgt nach DIN 45 512, Blatt 2 (bewertete Spitzenspannungsmessung nach DIN 45 405, inzwischen ersetzt durch Effektivwertmessung gemäß IEC 268-3).

Der verwendete Sprechkopf hat eine Spaltbreite von 5 µm und eine Spurbreite von 2,2 mm.
Da die Daten nur als Funktion des Vormagnetisierungsstromes iv gegeben sind, wird die Größe iv als Hilfsvariable benutzt. In einem Beispiel soll der Geräuschspannungsabstand und die zugehörige Entzerrungszeitkonstante für den Vormagnetisierungsstrom iv = 0 dB und die Bandgeschwindigkeit v = 9,5 cm/s bestimmt werden. Die auf den Vollaussteuerungspegel bezogene Abnahme der Aussteuerbarkeit A10/333 sei mit 15 dB vorgegeben (Mindestwert aus DIN 45 500, Bl. 4). Aus Bild 2 entnimmt man für iv = 0 dB folgende Werte:

A333 = 6,7 dB
A10 = - 5,0 dB
DRG = 50,8 dB

Hieraus erhält man eine Abnahme der Aussteuerbarkeit von A10/333 = 5,0 dB + 6,7 dB = 11,7 dB. Dieser Wert ist besser als der vorgegebene Wert von 15 dB.
Man muß deshalb die Entzerrung so ändern, daß sich die gewünschte Höhenaussteuerbarkeit einstellt. Hierzu betrachtet man Bild 4, das den Frequenzgang eines Wiedergabeverstärkers zeigt (die Eisenverluste des Wiedergabekopfes sind nicht berücksichtigt, weil sie bei dieser Betrachtung keinen Einfluß auf das Ergebnis haben).
 
Frequenzgang WiedergabeverstärkerZur Kurve 1 in Bild 4 gehört die Zeitkonstante τ = 90 µs- Dem maximalen Pegel bei 10 kHz entspricht ein bestimmter maximaler Bandfluß, dessen Größe typisch für das Band ist. Damit ist aber auch das Verhältnis zwischen maximalem Bandfiuß bei 10 kHz und dem Vollaussteuerungs-Bandfluß bei 333 Hz fest vorgegeben. Eine Verringerung der Aussteuerbarkeit von 11,7 dB auf 15 dB kann deshalb nur durch eine zusätzliche Absenkung des Wiedergabe-Frequenzganges um 3,3 dB bei 10 kHz erfolgen. Man erhält so Kurve 2 mit der neuen Zeitkonstante τ2, die sich explizit aus der Absenkung von 3,3 dB berechnen läßt. Hierzu benötigt man den Frequenzgang des Wiedergabeverstärkers für eine beliebige Zeitkonstante τ: Bild 4. Frequenzgang eines Wiedergabeverstärkers mit den Entzerrungszeitkonstanten τ1 = 90 µs und τ2 = 60,4 µs

Formel 1

Für zwei verschiedene Zeitkonstanten τ1 und τ2 ergibt sich hieraus ein Spannungsverhältnis

Formel 2

Da das Spannungsverhältnis u (f, τ1)/u (f, τ2) als Pegelmaß -Δ A vorliegt, muß Gleichung (2) logarithmiert werden:

Formel 3

Oder nach τ2 aufgelöst:

Formel 4

Für τ1 = 90 µs folgt hieraus

Formel 5

In diesem speziellen Beispiel erhält man mit Δ A = - 3,3 dB aus Gleichung (5) die Zeitkonstante

τ2 = 60,4 µs

Da die höheren Frequenzanteile bei dieser Zeitkonstante (Kurve 2 in Bild 4) stärker abgesenkt werden als bei τ1 = 90 µs, ändert sich auch der Ruhegeräuschspannungsabstand, bezogen auf den Bandfluß-Bezugspegel. Die Änderung der Geräuschspannung als Funktion der Zeitkonstante ist in Bild 5 dargestellt, und zwar gemessen für die DIN-Leerband-Bezugscharge DP 26 LH C 264 Z und die Bandgeschwindigkeiten v = 9,5 cm/s bzw. 19 cm/s. Für τ2 = 60,4 µs ermittelt man aus Bild 5 eine Veränderung des Geräuschspannungsabstandes um

ΔDRG = + 2,4 dB


 
Auml;nderung der Geräuschspannung als Funktion der Höhenentzerrungszeitkonstante Bild 5. Änderung der Geräuschspannung als Funktion der Höhenentzerrungszeitkonstante
Damit hat man alle Größen beisammen, um dem Geräuschspannungsabstand für die vorgegebene Verringerung der Aussteuerbarkeit um A10/333 = 15 dB zu ermitteln. Er beträgt bei τ = 60,4 µs

D = A333 + DRG + ΔDRG
= 6,7 dB + 50,8 dB + 2,4 dB
= 59,9 dB

Dieser Rechengang wird für verschiedene Vormagnetisierungsströme iv und verschiedene bezogene Höhenaussteuerbarkeiten wiederholt. Die Ergebnisse sind in Bild 6 (v = 9,5 cm/s) und Bild 7 (v = 19 cm/s) dargestellt.
 
Geräuschspannungsabstand (Dynamik) als Funktion des Vormagnetisierungsstromes i bei 9,5 cm/s Geräuschspannungsabstand (Dynamik) als Funktion des Vormagnetisierungsstromes i bei 19 cm/s
Bild 6. Geräuschspannungsabstand (Dynamik) als Funktion des Vormagnetisierungsstromes iv bei 9,5 cm/s. Parameter ist die Verringerung der Aussteuerbarkeit A10/333 um 6, 9, 12 und 15 dB Bild 7. Geräuschspannungsabstand (Dynamik) als Funktion des Vormagnetisierungsstromes io bei 19 cm/s. Parameter ist die Verringerung der Aussteuerbarkeit A10/333 um 3, 6 und 9 dB



Diskussion der Ergebnisse

Die Kurven des Geräuschspannungsabstandes zeigen ein Maximum, das bei der Bandgeschwindigkeit v = 19 cm/s relativ flach ist. Ob die Optimierung überhaupt erfolgreich war, läßt sich auf folgende Weise überprüfen: Die Verminderung der Aussteuerbarkeit bei 10 kHz von z. B. 15 dB auf 12 dB könnte auch erreicht werden, indem man bei tieferen Frequenzen um 3 dB weniger aussteuert. In diesem Fall verringert sich der Geräuschspannungsabstand um 3 dB. Betrachtet man die Kurven in Bild 6 und 7, dann erkennt man, daß die Verringerung des Geräuschspannungsabstandes z. T. wesentlich kleiner ist als die Verbesserung der Höhenaussteuerbarkeit. Insbesondere bei v = 19 cm/s beträgt die Minderung des Geräuschspannungsabstandes nur etwa die Hälfte der Verbesserung der Höhenaussteuerbarkeit. Die Optimierung war also erfolgreich.
Weiterhin kann man prüfen, ob die z. Z. genormten Entzerrungszeitkonstanten - τ = 90 µs für v = 9,5 cm/s und τ = 50 µs für v = 19 cm/s - die heutigen Magnetbänder optimal zu nutzen gestatten. Bei der Bandgeschwindigkeit v = 9,5 cm/s (Bild 6) erhält man für A = 9 dB und die genormte Zeitkonstante τ = 90 µs einen Arbeitspunkt, der schon recht nah beim Maximum des Geräuschspannungsabstandes liegt.
Will man den Geräuschspannungsabstand auf Kosten der Höhenaussteuerbarkeit und unter Beibehaltung der Zeitkonstanten τ = 90 µs verbessern, dann gelangt man zu Arbeitspunkten, die immer weiter vom Maximum des Geräuschspannungsabstandes entfernt liegen. Optimale Arbeitspunkte sind in diesem Fall nur zu erreichen, wenn auch die Entzerrungszeitkonstante geändert wird. Bild 6 entnimmt man z. B. für A = 12 dB, iv = -2 dB und τ = 55,4 µs eine Verbesserung des Geräuschspannungsabstandes um ca. 1,5 dB gegenüber dem Arbeitspunkt A = 12 dB, iv = 0 dB und τ = 90 µs. Allerdings wird im neuen Arbeitspunkt die Gefahr von Aussetzern wegen des geringeren Hf-Vormagnetisierungsstroms etwas größer.
Zusammenfassend kann man sagen, daß die Zeitkonstante τ = 90 µs für eine gute Höhenaussteuerbarkeit durchaus optimal ist. Für eine Auslegung bezüglich eines großen Geräuschspannungsabstandes auf Kosten geringer Höhenaussteuerbarkeit ergibt die gültige Zeitkonstante τ = 90 µs jedoch keine optimalen Arbeitspunkte. Insgesamt darf man aber den Nutzen einer Verbesserung des Geräuschspannungsabstandes nicht überschätzen, wenn der Zahlenwert erst einmal deutlich über 55 dB liegt. Im allgemeinen stehen dem Tonbandamateur nämlich nur Signalquellen zur Verfügung, deren Ruhegeräuschspannungsabstand betriebsmäßig eher bei 50 dB und darunter als bei 55 dB liegt. Andererseits zeigt ein sorgfältiger AB-Vergleich bei v = 9,5 cm/s und üblicher Geräteauslegung, daß die Durchsichtigkeit von Passagen mit starken Signalanteilen in den Höhen gegenüber dem "Original" abnimmt. Dieser Punkt spricht eindeutig dafür, die Verringerung der Aussteuerbarkeit bei hohen Frequenzen nicht zu groß zu wählen oder gar an die von der Norm zugelassene Grenze von 15 dB heranzugehen. Der Wert von 15 dB ist in der Norm DIN 45 500, Bl. 4, eindeutig als eine Grenze definiert, die auch unter Einbeziehung der Gerätetoleranzen eingehalten werden muß. Außerdem darf die Höhenaussteuerbarkeit eines Hi-Fi-Tonbandes nach DIN 45 500, Bl. 9, um 2 dB geringer sein als die des DIN-Bezugsbandleerteiles, so daß sich im praktischen Betrieb der Wert von 15 dB bis auf 17 dB verschlechtern kann.
Bei der Bandgeschwindigkeit v = 19 cm/s ist der Arbeitspunkt mit iv = -1 dB und τ = 50 µs bei einer Verringerung der Aussteuerbarkeit von A = 3 dB nahezu optimal. Eine Vergrößerung des Geräuschspannungsabstandes auf Kosten der Höhenaussteuerbarkeit erscheint nicht sinnvoll, weil der Geräuschspannungsabstand sowieso schon größer als 60 dB ist. Ein Vergleich von Bild 6 und Bild 7 zeigt deutlich die Verbesserung des Geräuschspannungsabstandes, die man beim Übergang auf die höhere Bandgeschwindigkeit erzielt. Für eine Verringerung der Aussteuerbarkeit von A = 6 dB ist der maximal erreichbare Geräuschspannungsabstand bei v = 19 cm/s bereits 7 dB größer als bei v = 9,5 cm/s. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, daß der optimale Arbeitspunkt bei v = 9,5 cm/s kaum nutzbar ist.
Die übliche Auslegung von Tonbandgeräten ergibt einen wesentlich kleineren Unterschied des Geräuschspannungsabstandes. Dafür ist aber die Höhenaussteuerbarkeit bei v = 9,5 cm/s erheblich geringer als bei v = 19 cm/s.
Zum Schluß sollen noch drei Punkte gestreift werden, die bisher nicht berücksichtigt wurden:

  1. Alle Überlegungen gelten selbstverständlich entsprechend für andere Spurbreiten als die zugrundegelegte Breite von 2,2 mm. Der relative Verlauf der Kurven in Bild 6 und 7 bleibt erhalten, es ändert sich nur die absolute Größe des Ruhegeräuschspannungsabstandes.
  2. Auf dem Markt werden seit kurzem Bänder angeboten, deren elektroakustische Eigenschaften gegenüber dem DIN-Bezugsbandleerteil noch einmal deutlich verbessert sind, insbesondere in bezug auf die Aussteuerbarkeit. Die Aussteuerbarkeit nimmt bei tiefen und hohen Frequenzen etwa gleich viel zu, so daß die Kurven in Bild 6 und 7 in erster Näherung nur um die Verbesserung des Geräuschspannungsabstandes nach oben verschoben werden.
  3. Die Ruhegeräuschspannung wird bei Heimtonbandgeräten nicht mehr nach DIN 45 405 (bewertete Spitzenspannungsmessung), sondern nach IEC 268-3 (Effektivwertmessung, Bewertung durch die A-Kurve) gemessen. Diese Änderung beeinflußt den relativen Verlauf der Kurven in Bild 6 und 7 jedoch nur unwesentlich. Dafür verbessern sich alle Zahlenwerte des Ruhegeräuschspannungsabstandes um etwa 9 dB.



Literatur

[1] Jakubowski, H.: Analyse des Programm-Materials des Hörrundfunks. Rundfunktechnische Mitteilungen Band 15 (1971), Heft 6, Seite 275...284.
[2] McKnight, J. G.: The distribution of peak energy in recorded music. and its relation to magnetic Recording System. Journal of the Audio Engineering Society Band 7 (1959), Heft 2, Seite 60...71.


 
Arnold GlaabDr. Ing. Arnold Glaab studierte an der technischen Hochschule in Darmstadt. Nach dem Eintritt in die Firma Grundig AG im Jahre 1970 arbeitete er auf dem Gebiet der Vorentwicklung für Tonbandgeräte und leitet seit 1973 das Labor 1 für die Entwicklung von Lautsprechersystemen, Lautsprecher-Boxen, Autosuper und Reisesuper.  
aus: Funkschau 17/1976, Seite 711ff.

Herzlichen Dank an die Funkschau für die Erlaubnis, diesen Artikel hier zu veröffentlichen.
 
 
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